Der vorliegende Artikel ist schon über
fünfzehn Jahre alt. In dieser Zeit hat es noch
einen breit angelegten Personalabbau bei
„älteren“ Arbeitnehmern gegeben. Teilweise
auch auf freiwilliger Basis, meistens aber
auf besondere Empfehlung, damit Platz für jüngere und
aktueller ausgebildete Fachkräfte geschaffen wurde.
Diese „älteren“ Arbeitnehmer, ab 50 Jahre alt, sind mit
sehr guten Abfindungen nach Hause gegangen.Mit dieser
Gruppe jedoch auch sehr viel Know-how. Genau
genommen, Erfahrungswissen und -können sowie
gewachsene Beziehungsstrukturen.
Das haben viele Firmen dann im Nachhinein gemerkt und
einige der freigesetzten Mitarbeiter wieder zurückgeholt.
Denn aktuelles Schul- oder Hochschulwissen kann nicht
das Alltags- und Erfahrungswissen aus der Praxis
vollkommen ersetzen.
Weil der Artikel schon ein paar Jahre älter ist, aber
dennoch an Aktualität und in den Kernaussagen
überhaupt nicht an Wichtigkeit und Richtigkeit verloren
hat, passen nicht sämtliche Aussagen in die heutige Zeit.
Die niedrigen Geburtenzahlen und die höhere Lebens-
erwartung lassen eine Gesellschaft durchschnittlich älter
werden. Aber es wird übersehen, es gibt nicht nur „zu
viele“ Alte, es gibt gleichzeitig „zu wenige“ Junge. Der,
unter dem Begriff „demografischer Wandel“, bekannte
Prozess geht gleichzeitig einher mit der Entstehung des
Fachkräftemangels. Dieser hängt jedoch auch mit der
zunehmenden Geschwindigkeit an zunehmenden Wissens
und der rasanten Entstehung neuer Technologien
zusammen.
Gleichzeitig ist immer noch zu beobachten, dass
Mitarbeiter über 50 Jahren seltener eingestellt werden.
Auch das Renteneintrittsalter steigt immer weiter und
man spricht schon von einer Rente ab 70. Das passt
selbstverständlich nicht zusammen.
Dieser Artikel soll aufklären über die Fähigkeiten von
älteren Arbeitnehmern und mit Vorurteilen aufräumen.
Denn es gibt immer noch fest gefahrene Meinungen, was
die kognitiven Fähigkeiten Älterer betrifft und deren
Rolle in der Gesellschaft.
Rollenzuschreibungen haben sich in „modernen“
Gesellschaften sehr verändert.
„In jungen Gesellschaften, in denen ältere Menschen
Seltenheitswert haben, werden diese besonders geehrt
und geachtet. In früheren Zeiten wurden gerade den
Älteren richterliche, lehrende und heilende Funktionen
zugeschrieben. Sie genossen als Ratgeber, als Übermittler
der Traditionen, als Erfahrene eine ganz besondere
Achtung.
Dies gilt in unserer Zeit schon lange nicht mehr.
Funktionen des Speicherns, Behaltens und Erinnerns wie
auch die Weitergabe von Wissen und Informationen
werden heutzutage weitgehend durch moderne
Technologien ersetzt.
Das Alter in einer alternden Gesellschaft, wie der unseren,
ist durch einen Rollenverlust gekennzeichnet.“ (Prof. Dr.
Dr. h.c. Ursula Lehr)
Historischer Blick auf Kindheit und dem Umgang mit
dem Alter
Bevor hier auf das eigentliche Thema, nämlich der
Umgang mit dem Alter und die Situation des älteren
Menschen, genauer des älteren Arbeitnehmers,
eingegangen wird, erfolgt ein kleiner Ausflug in die
Geschichte der Kindheit. Es ist für viele von uns heute
selbstverständlich, dass das Leben aus Kindheit,
Erwachsenenalter und Alter besteht. Aber das war nicht
immer so, zumindest nicht im Bewusstsein der Menschen.
Natürlich hat es schon immer Kinder gegeben. Aber die
für uns heute so selbstverständliche Tatsache, dass es eine
Kindheit als eigenständiger Phase gibt, als einen
Schonraum und eine Erziehungs- und Bildungszeit, ist
eine kulturelle Errungenschaft. Die Hintergründe dieser
Errungenschaft sollen hier ganz kurz angerissen werden,
um zu zeigen, dass im Laufe des kulturellen Wandels sich
auch die Sichtweise von und damit der Umgang mit den
Lebensphasen verändert.
Die menschliche Entwicklung wird im allgemeinen
Verständnis in Jugend, Reife und Alter unter-schieden
und es wird davon ausgegangen, dass diese biologischer
Natur ist. Das Altern ist ganz klar ein biologischer
Prozess, aber das Verständnis davon und die Definition
dessen wird von gesellschaftlichen, technischen und
wirtschaftlichen Veränderungen und Entwicklungen
beeinflusst.
Vor dem Mittelalter hat es zum Beispiel keine Kindheit in
unserem heutigen Sinne gegeben. (Das können wir bei
Aries und Postman nachlesen.) Sobald ein Kind sich allein
fortbewegen und verständlich machen konnte, lebte es
mit den Erwachsenen in einem natürlichen
„Lehrverhältnis“, ob dies nun Religion, Sprache oder Sitte,
Sexualität oder ein Handwerk betraf. Doch auch in dieser
„Kindheit“ sind die Kinder bloß kleine Erwachsene. Sie
trugen die gleichen Kleider, spielten die gleichen Spiele,
verrichteten die gleichen Arbeiten, sahen und hörten die
gleichen Dinge wie die Erwachsenen und hatten keine von
ihnen getrennten Lebensbereiche.1
„In einer mündlichen Welt gibt es vom Erwachsenen keine
genau umrissene Vorstellung und noch viel weniger vom
Kind. Deshalb findet man in allen Quellen, dass im
Mittelalter die Kindheit mit sieben Jahren endet. Warum
mit sieben? Weil die Kinder in diesem Alter die Sprache
beherrschen.“2 Postman geht noch einen Schritt weiter
und erkennt in der Erfindung des Buchdrucks eine
entscheidende Vorraussetzung dafür, dass sich eine
eigene Lebensphase entwickeln konnte, die unter dem
Vorzeichen des Lernens, der Entwicklung und des
Erwachsen-Werdens steht. Die Verbreitung von Wissen,
Erkenntnissen und Erfahrungen haben seiner Meinung
nach entschieden dazu beigetragen, dass der „von
Mündlichkeit bestimmte Verständniskontext des
Mittelalters allmählich verschwand.“3 „Denn im
Mittelalter konnte weder jung noch alt lesen, und das
Leben aller vollzog sich im Hier und Jetzt, im
Unmittelbaren und Lokalen... Deshalb bedurfte es auch
keiner Vorstellung von Kindheit, denn alle hatten teil an
der gleichen Wissensumwelt und lebten insofern in der
gleichen gesellschaftlichen und kulturellen Formation.
Als aber die Druckerpresse zur Wirksamkeit gelangt war,
da zeigte sich, dass mit ihr eine neue Art von
Erwachsenenheit auf den Plan getreten war. Seit der
Erfindung des Buchdrucks musste die Erwachsenenheit
erworben werden. Sie wurde zu einer symbolischen
Leistung, war nicht länger Resultat einer biologischen
Entwicklung. Seit der Erfindung des Buchdrucks mussten
die Kinder Erwachsene werden, und dazu mussten sie
lesen lernen, die Welt der Typografie betreten. Damit
ihnen das gelang, brauchten sie Erziehung. Deshalb
erfand die europäische Zivilisation die Schule von neuem.
Und damit machte sie aus der Kindheit eine Institution.“4
Genauso wie sich eine Vorstellung der Kindheit als
eigenständiger Phase mit ganz eigenen Bedürfnissen und
Eigenschaften im Bewusstsein der Menschen entwickelt
hat, unterliegt auch die Vorstellung vom Alter einer
ständigen Veränderung durch gesellschaftliche Prozesse
und Denkweisen. Die Industriegesellschaft hat eine
Dreigenerationenstruktur hervorgebracht. Im Rahmen
einer systematischen Eingliederung in das Berufs- und
Erwerbsleben hat sich eine Lern- und Lehrphase
entwickelt. Daran schließt sich die Zeit der Produktivität
an. Im letzten Drittel erfolgt aufgrund der
Rationalisierung, Effizienzsteigerung und einer immer
schneller voranschreitenden technischen Entwicklung
wieder eine systematische Ausgliederung der Alten aus
dem Produktionsbereich, damit dieser reibungslos weiter
laufen kann. Der Eintritt in die Rente ist somit eine
gesellschaftliche Errungenschaft und unterliegt einer
juristischen Definition. Die deutsche Rente ist heute 122
Jahre alt. 1898 verabschiedete der Reichstag das erste
deutsche Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz. Das
stolze Alter von 70 Jahren wurde damals jedoch nur von
wenigen erreicht, das Durchschnittsalter lag bei 40
Jahren. Seit 1945 liegt das Renteneintrittsalter bei 65
Jahren. Mit Erreichung des Rentenalters gehört ein
Arbeitnehmer heutzutage nun definitiv zu den Alten.
Die Identifikation mit der Arbeitsrolle ist zentral in
unserer Gesellschaft. Der Beruf ist das strukturierende
Merkmal in unserem Lebenslauf. Auch dadurch wird das
Alter primär zu einer gesellschaftlichen Kategorie.
In der Biologie und in der Psychologie wird dieser Aspekt
jedoch ganz anders gesehen. Hier wird selten von „Alter“,
sondern eigentlich von „altern“ gesprochen. Altern wird
als ein Prozess, der ständig und kontinuierlich
voranschreitet. Veränderung, Entwicklung, Wachstum
und Zerfall, Neu- und Restrukturierung,
Höherentwicklung werden dabei gleichermaßen beachtet.
Hier wird deutlich, dass Altern nicht nur mit Verlusten
einhergeht, sondern auch durch Gewinn geprägt ist, ganz
entgegen der allgemeinen Meinung, der Eintritt ins
Rentenalter gehe automatisch mit Verfall und Verlust
einher. Auf diesen Aspekt wird später noch genauer
eingegangen.
Auf der einen Seite erwartet uns eine Gesellschaft, die
immer älter wird. Durch verbesserte Arbeits- und
Lebensbedingungen, durch medizinischen und
technischen Fortschritt leben wir länger. Immer mehr
Menschen erleben dadurch eine neue Lebensphase, die
man auch als „dritte Lebensphase“ bezeichnet. Immer
mehr ältere Menschen erhalten die Möglichkeit, eine
nachberufliche Phase in mentaler und körperlicher
Gesundheit zu erleben und zu verbringen. Die
traditionelle Drei-Generationen-Gesellschaft (Jugend,
Reife, Alter) wird dadurch abgelöst durch eine Vier-
Generationen-Gesellschaft: Jugend, Reife, jugendliches
Alter und Alter.
Eine weitere Entwicklung, die mindestens seit den 80er
Jahren zu beobachten ist, zieht ganz ohne Zweifel enorme
menschliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche
Probleme nach sich. Immer mehr Mitarbeiter werden im
Rahmen von betrieblichen Umstrukturierungs-
maßnahmen gekündigt. Betroffen sind ganz verstärkt die
Älteren, die immer früher in einen sogenannten
Vorruhestand gehen. Erste Gegenbewegungen sind zwar
vorhanden oder werden diskutiert, aber die Tendenz ist
klar: Immer mehr Unternehmen beschäftigen keine
Mitarbeiter mehr, die über 50 Jahre alt sind.
Somit haben wir es mit einer immer größer werdenden
Gruppe von Menschen zu tun, die immer früher aufgrund
eines falschen Verständnisses von Alter von der restlichen
Gesellschaft ausgegrenzt wird. Ihnen wird der Rückzug
aus dem Berufsleben und aus der Erwerbstätigkeit
aufgezwungen. Diese Menschen sind in der Regel
gesundheitlich und geistig genauso fit wie jüngere und
beruflich auf hohem Niveau (siehe unten). Mit diesem
Rückzug aus dem Berufsleben geht ein Verlust der
Identität, ein Verlust der Einbindung in ein
gesellschaftliches System, ein Verlust des Selbst-
wertgefühls und ein Verlust an Sinnhaftigkeit einher.
Während Konflikte bei der Eingliederung in das
Berufsleben aufgrund der noch verbleibenden längeren
Lebenszeit durch mehr Handlungs- und
Gestaltungsfreiraum kompensiert werden können, ist
diese für den älteren Menschen begrenzter und damit
erhalten Konflikte einen anderen Stellenwert.
Die Chancen einer Bewältigung des Austritts aus dem
Berufsleben sind auch je nach Ausbildung und
Berufsstand sehr unterschiedlich. Wenn einfache und
mittlere Angestellte ihre meiste Zeit weisungsbezogen
gearbeitet haben und wenn sie daher weniger geistige
Flexibilität und soziale Kompetenz entwickelt haben,
werden besonders sie größere Schwierigkeiten haben.
Demgegenüber können Handwerker nach dem
Berufsleben gestalterisch auf ihre handwerklichen
Fähigkeiten zurückgreifen. Akademiker oder leitende
Angestellte können zum Beispiel ihr Fachwissen weiter
ausbauen oder ihre geistigen Fähigkeiten oder Interessen
nutzen. Noch offene Bildungswünsche werden
angegangen oder lang geplante Projekte begonnen. Auch
leiden Männer tendenziell stärker unter einem
Arbeitsverlust, da ihre Identität mehr auf die Berufsrolle
ausgerichtet ist. Frauen der Nachkriegsgeneration
dagegen, die während Ihrer Berufstätigkeit
mehrdimensional tätig waren, zum Beispiel als Mutter
und als Hausfrau, entwickelten dadurch eine größere
Flexibilität.
Man kann sagen: je mehr der Mensch eigenbestimmt
gearbeitet und gelebt hat, desto größer sind seine
Chancen einer kreativen Bewältigung solcher Krisen. Es
gibt Berufsgruppen, bei denen die Berufstätigkeit bis zum
Tod keine Seltenheit ist: Schauspieler oder Künstler,
Professoren, Politiker und Selbständige.
Stärken-Schwächen-Analyse und die kristalline
Intelligenz
Das Altern und das Alter in unserer Gesellschaft und
damit auch im Berufsleben erfährt eine Abwertung. Das
sehen wir ganz deutlich in der Tatsache, dass ab einem
Alter von 50 Jahren immer mehr Mitarbeiter aus dem
Berufsleben entlassen werden, teils mit Anreizen, wie
sehr großen Abfindungen. Bewerber über 50 haben kaum
Chancen auf eine Neuanstellung. Es geht noch weiter:
Teilweise gehören 40-jährige auf dem Arbeits-markt
bereits schon zu den Älteren oder Alten. Die Kosmetik-
industrie und auch die Wellnessbewegung unterstützt
eigentlich auch die Tendenz in unserer Gesellschaft, das
Altern als etwas darzustellen, was es um jeden Preis zu
vermeiden gilt (obwohl es ja grundsätzlich gut und
erstrebenswert ist, sich gesund und flexibel zu halten).
Es geht eigentlich darum, nicht alt auszusehen. Jedes
graue Haar und Fältchen müssen verschwinden. Anti-
Aging ist das Zauberwort, hinter dem sich offensichtlich
eine ganz massive Abwertung des Alterungs- und damit
doch eigentlich Reifungs-prozesses des Menschen
verbirgt. Altern und seine Erscheinungsformen werden
als Makel betrachtet. Wir unterliegen in der heutigen Zeit
einem Jugendwahn.
Altern wird vornehmlich als ein Abbauprozess gesehen,
der in erster Linie mit dem Ver-lust von Möglichkeiten
und Fähigkeiten einhergeht. Diese Sichtweise ist nicht nur
ein-seitig, sondern schlichtweg falsch, weil man hier von
einem eindimensionalen Entwicklungsprozess ausgeht:
Zunahme von Fähigkeiten von der Kindheit an zum
Erwachsenen-alter und Abnahme von Fähigkeiten vom
Erwachsenenalter zum Alter. Altern ist aber ein
vielschichtiger Veränderungsprozess, bei dem sich der
Organismus permanent an äußere und innere
Anforderungen anpasst und dabei an Komplexität
gewinnt. Während die Fähigkeit zu kurzzeitig hohen
Leistungen abnimmt, wird der Organismus fähiger, eine
stetige Leistung zu erbringen. Die psychische Struktur
wird zudem gefestigter, wodurch ältere Menschen auch
mit Krisensituationen allgemein besser umgehen
können. Das Erfahrungsspektrum wird größer und
komplexer, die soziale Kompetenz nimmt im
Allgemeinen zu. Während bestimmte körperliche
Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Reaktionsfähigkeit
abnehmen, nehmen also andere Fähigkeiten zu.
Defizit- und Kompetenzmodell
Es konkurrieren zwei Modelle miteinander. Das
Defizitmodell, welches davon ausgeht, dass mit
zunehmenden Alter die Fähigkeiten zurück gehen und
das Kompetenzmodell, welches betont, dass sich mit
zunehmenden Alter neue und andere Kompetenzen
entwickeln.
Die neue psychologische Forschung zeigt unter anderem,
dass der ältere Mensch gar nicht weniger leistungsfähig
ist als der jüngere, er ist jedoch anders leistungsfähig.
Und in dieser Andersartigkeit liegen wiederum besondere
Chancen, insofern man sie erkennt. Das folgende
Schaubild soll dies verdeutlichen:
Abb.: Kompetenzwechsel im Alter
Abb.: Altersbedingte Veränderung des Kompetenzprofils
Quelle siehe Anhang (5)
Anstelle von Abbau der älteren Mitarbeiter sollten bei der
Gestaltung der Arbeitsplätze mehr die Vorzüge und
Stärken der Älteren berücksichtigt werden. Außerdem
sollten die Arbeitsabläufe dergestalt angepasst werden,
dass sie zur Veränderung im Kompetenzprofil der Älteren
passen.
Mit dem Abbau der älteren Mitarbeiter gehen somit
neben dem beruflichen und fachlichen Know-how ganz
besonders auch wichtiges menschliches Know-how für die
Firmen verloren. „Beispiel Intelligenz: Während im Laufe
des Alters die sogenannte fluide Intelligenz, also die
Mechanik des Denkens, abnimmt – das Denken somit
langsamer wird -, bleibt die sogenannte kristalline
Intelligenz, die Pragmatik des Denkens, weitgehend
konstant. Bei manchen gewinnt sie sogar an Kapazität.
Auch die Sprachkompetenz, die soziale Kompetenz und
das berufliche Wissen nehmen (...) im Alter zu. Ihren
Höhepunkt erreicht die kristalline Intelligenz nach
neuesten Erkenntnissen sogar erst um die 50.“6
Erfahrungen und Kenntnisse kristallisieren sich
ebenfalls aus. Der ältere Mitarbeiter hat tendenziell mehr
Überblick, einen Blick für das Ganze und mehr soziale
Kompetenz. Er wird, je nach Förderung durch das
Unternehmen und je nach Ausprägung und Kultivierung
seiner Potentiale zu einem sicheren, versierten und
loyalen Teamkollegen und/oder zu einer Art Mentor oder
Coach für die jüngeren Mitarbeiter. Er kann berufliche
Erfahrungen weitergeben. Immer häufiger wird diese
Tatsache genutzt. Viele Firmen greifen mittlerweile auf
diesen „Senior-Berater“ zurück. Ältere Menschen
verfügen über Wissen, Erfahrungen und Fähigkeiten, die
einen potentiellen Gewinn für Gesellschaft und
Arbeitswelt darstellen.
Es gibt also durchaus auch Firmen, die mittlerweile
wieder das Potential der Älteren erkennen, fördern und
Arbeitsprozesse und Stellenprofile an eine älter
werdende Belegschaft anpassen. Zwar sind dies
Ausnahmen, aber immerhin sind es positive Signale. Es
gibt auch Stellenbörsen für Arbeitsuchende ab 50+.
Irgendwie schmerzhaft ist es jedoch auch, dass es auch
Stellenbörsen für Arbeitnehmer ab 40+ gibt. Wer sich so
früh schon für alt hält, sollte sich und die eigene Identität
kritisch hinterfragen.
Die Leistungsfähigkeit des Älteren ist nicht schlechter,
sondern eben anders. Wir aber haben eine einseitige
Sichtweise von Leistung entwickelt, die nicht nur dazu
führt, dass Alter an sich als Krankheit betrachtet wird,
sondern auch schon die jüngeren Menschen immer mehr
krank macht. Immer mehr junge Menschen leiden unter
Burn-out-Symptomen. Junge Führungskräfte landen
wegen Überarbeitung, Stresssymptomen und Lei-
stungsängsten in Kliniken. Der junge Mensch kann nicht
das leisten, was der ältere leistet und der ältere kann nicht
das leisten, was der jüngere leistet. Wir brauchen eine
differenziertere Vorstellung von Leistung und Können.
Literatur:
1 Vgl. Aries, Phillip „Die Geschichte der Kindheit“, S. 69-
126.
2 Postman, Neil „Das Verschwinden der Kindheit“, S. 24.
3 ders. S. 47.
4 ders. 47-48.
5 Kayser, Friedrich / Uepping, Heinz „Kompetenz der
Erfahrung - Personalmanagement im Zeichen
demografischen Wandels“, S. 153 und S. 174.
6 Wirtschaftswoche Nr. 7/ 12.2.1999.
Knut Diederichs, 09.08.2020
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