Sie haben viel Freude an Ihrer Arbeit und haben den Anspruch,
eine gute Qualität zu liefern? Sie unterstützen gerne andere und
haben stets ein offenes Ohr? Sie sind ein guter Teamplayer und
geben gerne Ihr Wissen weiter? Sie praktizieren eine
Dienstleistungsmentalität und leben einen aktiven
Servicegedanken?
Wenn dies alles auf Sie zutrifft, dann machen Sie einen
hervorragenden Job, haben zufriedene Vorgesetzte und
Kollegen oder Kunden. Solche Mitarbeiter oder Dienstleister
wünscht sich jeder gerne.
Aber, haben Sie sich auch schonmal gefragt: wo bleibe ich
dabei? Wie geht es Ihnen mit Ihrem hohen Engagement
dauerhaft? Bekommen Sie auch etwas zurück? Ist es insgesamt
ein ausgewogenes Geben und Nehmen?
Die obige Beschreibung ist grundsätzlich positiv und eine
solche Arbeitshaltung ist auch durchaus erstrebenswert. Nur
hat sie häufig einen Haken. Und dies beschreiben zahlreiche
Arbeitnehmer und Selbständige. Aber auch gerade Mütter und
alleinerziehende sind davon betroffen. Nicht selten verbirgt sich
hinter dieser an sich positiven und gewünschten Haltung
jedoch eine Unfähigkeit, „Nein“ zu sagen und die Schwierigkeit,
sich konstruktiv abzugrenzen. Und sehr häufig werden die
negativen Auswirkungen davon erst spät oder zu spät erkannt.
Es ist aber auch nicht leicht! Denn ganz oft erscheint es eben
selbstverständlich, zu helfen, etwas zu übernehmen, da zu sein,
zu unterstützen. Es gibt sehr häufig nachvollziehbare Gründe,
warum niemand anderes diese Aufgabe gerade übernehmen
kann. Dann wird es besonders schwer. Wie schlägt man dem
Chef eine Bitte ab, wo doch gerade der Projekterfolg daran
geknüpft sein kann? Wie schlägt man den Kindern einen
Wunsch ab, wenn man keine schlechte Mutter sein möchte?
Oder wie begründet man, dass man beim Umzug nicht helfen
kann, ohne die Gefahr, Freunde zu verlieren?
„Mein Rücken macht das nicht mehr mit!“ Vielleicht stimmt das
ja auch. Der Rückzug in Krankheit wird dann noch eher
akzeptiert als wenn man eine ehrliche Antwort gibt: „Ich habe
dir schon dreimal geholfen, such dir mal jemand anderes für
deine Umzüge.“
Auch im Job neigen viele Arbeitnehmer eher dazu, eine
Krankheit vorzuschieben, wenn sie nicht mehr können. Am
besten etwas körperliches, denn psychische Belastungen
werden in der Arbeitswelt immer noch nicht gleichermaßen
akzeptiert. Krankheit ist ein legitimierter Grund, sich
zurückziehen zu dürfen. Aber das geht dauerhaft nicht gut.
Denn zu oft kann man dieses Argument auch nicht bringen und
es löst letztendlich nicht das Problem.
Sie müssen lernen, sich konstruktiv abzugrenzen. Denn ein
Problem verfolgt Sie so lange, bis Sie dafür eine Lösung
gefunden haben.
Gründe für das Ja-Sagen
Wenn hier von Gründen gesprochen wird, dann muss
gleichzeitig betont werden, dass menschliches Verhalten nicht
immer nur Gründe hat, sondern auch von Zielen bestimmt wird.
Nämlich Absichten, die in der Zukunft liegen.
Jetzt kommen zwei Fachbegriffe, die sind aber leicht zu
verstehen. Handeln kann kausale und finale Gründe haben.
Kausal heißt „Ursache“, die stets in der Vergangenheit liegt.
Final heißt „Ziel“ oder „Zweck“, welches in der Zukunft liegt.
Wir leben in einer Kultur, in der gerne nach dem „Warum“
gefragt wird. Wir möchten die Dinge gerne ergründen. Diese
Fragestellung ist aber nicht bei jedem Thema oder Problem
sinnvoll oder hilfreich. Das „Warum?“ kennen wir alle sicherlich
noch sehr gut auch aus unserer Kindheit. Die Frage nach dem
„Warum?“ ist so unangenehm, weil sie häufig begleitet ist von
einem Vorwurf. Deswegen sollte man Warum-Fragen auch sehr
dosiert und überlegt einsetzen.
Ein Verhalten hat sicherlich einen Grund also eine Ursache, aber
es gibt auch eine Absicht. Und diese zu ergründen hilft oft sehr
viel weiter. Wenn eine Person einen Vortrag verlässt, kann man
fragen: warum? Zum Beispiel, weil sie Durst hat. Das erklärt
aber nicht wirklich das Verhalten. Man könnte ja auch aushalten
und abwarten.
Aber, wenn diese Person ein Glas Wasser haben möchte oder
braucht, dann muss sie hinaus gehen, weil es drinnen kein
Wasser gibt. Damit liegt der Grund des Verhaltens oder
Handelns im Ziel und in der Zukunft.
Dieses lästige Warum! „Warum hast du dein Zimmer nicht
aufgeräumt?“ Wir wissen alle, dass es eigentlich gar nicht um
die Frage nach dem Grund geht. Den will man gar nicht wissen!
Aber Paulchen hätte mit Sicherheit einen Grund auf Lager. Es
versteckt sich hinter dieser Frage eigentlich ein Vorwurf, eine
Enttäuschung, ein Tadel!
Wenn meine Frau mich fragt: „Warum hast du den Müll nicht mit
runtergenommen?“ Dann will sie, genau genommen, gar nicht
wissen, warum ich ihn nicht mit runtergenommen habe.
Deswegen kann man darauf auch so schlecht antworten … ,
ähm … als Mann.! Wenn aber ein Mann sagt, er bringt den Müll
runter, dann tut er es auch (demnächst, in naher Zukunft, ganz
sicher…). Aber das Thema spare ich mir mal für einen späteren
Blog auf. Vielleicht über Kommunikation zwischen Mann und
Frau.
Das „Ja-sagen“ hat einen Grund und ein Ziel oder Zweck, sowie
eine Funktion. Und das wäre eine der ersten Blickrichtungen für
unser Thema. Den Grund lassen wir vorerst außen vor. Gründe
liegen in der Vergangenheit und dann muss man sich mit
Kindheit, Familie und Erziehung beschäftigen. Das ist meistens
eine sehr lange Geschichte. Aber auch durchaus hilfreich.
Was will man mit einem „Ja“ bezwecken? Was glauben Sie?
Warum sagen Sie so häufig „Ja“?
Viele Menschen möchten, zum Beispiel, niemanden abweisen.
Dahinter versteckt sich oft die Angst, den anderen zu
enttäuschen oder sogar zu verlieren. Aber ich könnte auch als
unmotiviert, unkollegial, unkooperativ dastehen. Was würden
die anderen dann über mich denken? Also ist das Ziel, solche
Reaktionen oder Situationen zu vermeiden.
Als Ja-Sager sind Sie durchaus beliebt, aber nicht wirklich
geachtet!
Das Problem ist, dass häufig dem einen Ja schon das nächste
folgt. Es entsteht eine Art Zugzwang. Eine Erwartungshaltung
baut sich im Umfeld auf. Die Arbeit auf dem Schreibtisch wird
immer mehr und die Forderungen oder Bitten werden immer
häufiger. Dann irgendwann kennen Sie alle als „hilfsbereite“
Persönlichkeit. Sie sind gerne gesehen. Aber ohne, dass Sie es
merken, wird immer mehr Arbeit bei Ihnen abgelegt. Und mit
der Zeit wird die Überwindung immer größer, Nein zu sagen.
Was ist also Ihr Ziel? Sie wollen niemanden enttäuschen, die
Harmonie nicht aufs Spiel setzen, Sie wollen beliebt sein und
ein bestimmtes Image aufrechterhalten. Vielleicht auch das
Image, alles im Griff zu haben, leistungsfähig zu sein oder
wollen Sie gerne gebraucht werden? Auch das verleiht dem
Menschen einen Wert und eine Bedeutung.
Selbstverständlich kann man im Berufsleben nicht ständig Nein
sagen, denn das würde dem Vertrag und Auftrag nicht gerecht
und wir würden uns zurecht unbeliebt machen.
Die Anzahl an Ja und Nein sollte mindestens ausgeglichen sein.
Ausgeglichen sollte letztendlich das Geben und Nehmen
(Bekommen, Erhalten) sein. Einseitige Beziehungen sind keine
Beziehungen. Damit sind nicht professionelle Beziehungen
gemeint. Der Lehrer unterrichtet den Schüler, die Pflegekraft
betreut den Bewohner oder Patienten, der Kellner bedient den
Gast.
Beziehungen sollten stets auf Augenhöhe gelebt werden und
wertschätzend sein: ich bin ok – du bist ok. Auch, wenn mal ein
Nein ausgesprochen wird.
Nein-Sagen kann gelernt werden
Viele meiner Kundinnen und Kunden haben dieses Problem,
schlecht Nein sagen zu können. Dahinter verbergen sich häufig
komplexe Lebensgeschichten und durchaus auch Tragödien.
Sich dauerhaft nicht konstruktiv abgrenzen zu können, denn
das verbirgt sich hinter dem Problem des Ja-Sagens, wird
irgendwann zu einer Belastungsstörung, die auch am
Selbstwertgefühl knabbert. Denn der Betroffene weiß
insgeheim, dass er sich benutzen lässt und leidet darunter.
So verleugnen Sie sich selbst und Ihre eigenen Bedürfnisse.
Das zieht dauerhaft Kraft, die dann für andere Aufgaben fehlt.
Es droht Überforderung bis hin zum Burnout.
Aber es gibt auch „Experten“, jeder kennt sie, die sehr geschickt
Arbeiten delegieren und mit rhetorischen Tricks andere dazu
bringen, Mehrarbeit zu leisten oder Dinge zu übernehmen, für
die sie nicht zuständig oder verantwortlich sind. Welche
Taktiken sind hier bekannt?
Druck aufbauen, Konsequenzen in den Raum stellen, an der
Motivation zweifeln, Schmeicheln, Überrumpeln, schlechtes
Gewissen machen, Mitleidstour und einiges mehr.
Was können Sie tun?
Im Unternehmen, im Team oder auch in der Familie oder im
Freundeskreis sollte man sich stets fragen: „Will ich das
übernehmen?“ „Kann ich das leisten?“ „Worauf muss ich dabei
verzichten?“ „Habe ich die Kraft und die Zeit dazu?“ „Was leidet
gegebenenfalls unter einem Ja?“ „Was kommt zu kurz?“
Welches Bedürfnis nach … und welche Angst vor … motiviert
eigentlich gerade mein Entscheidungsverhalten? Zum Beispiel,
Bedürfnis nach Anerkennung? Angst vor Ablehnung?
In welchen Situationen kann ich schlecht Nein sagen und in
welchen gelingts es mir besser oder gut? Worin unterscheiden
sich diese Situationen? Hat es etwas mit einer bestimmten
Person zu tun, bei der ich schlecht Nein sagen kann?
Wägen Sie ab, was Sie leisten können und seien Sie ehrlich zu
sich selbst. Finden Sie den Mut und machen Sie vielleicht ein
„Worst-Case-Szenario“. Das heißt, fragen Sie sich: was kann
denn im schlimmsten Fall passieren, wenn ich Nein sage? Was
verliere ich? Und treffen Sie Ihre Entscheidung und entwickeln
Sie Mut, die Konsequenzen zu tragen.
Sie verlieren nicht, sondern gewinnen letztendlich viel! Sie
werden sich, der Sache sowie dem Umfeld sehr viel gerechter,
wenn Sie sich konstruktiv abgrenzen.
Begründen Sie Ihr Nein, aber rechtfertigen sie sich nicht dafür.
Gehen Sie in keine Diskussion.
Nutzen Sie niemals Notlügen, das ist kein tragbares Fundament.
Geben Sie ein klares Nein und bitten Sie um Verständnis. Werfen
Sie den Bittsteller auf seine eigene Verantwortung zurück.
Bauen Sie Brücken: „Ich verstehe, dass du im Stress bist, aber
ich kann das leider nicht übernehmen!“
Es gibt noch eine Reihe anderer Möglichkeiten und
Formulierungen, die wir gemeinsam entwickeln können und die
gut zu Ihrer speziellen Situation und Problematik passen.
Häufig haben die Menschen gleiche oder ähnliche Gründe für
ihr Handeln, aber dennoch steht jeweils eine individuelle
Geschichte dahinter.
Und gerade in der heutigen Zeit, in der es einen
ausgesprochenen Konformitätsdruck gibt, ist gesunde
Abgrenzung ganz besonders wichtig geworden.
Techniken sind gut und hilfreich. Sie gezielt einzusetzen,
erleichtert vieles. Aber die Technik alleine ist es nicht. Es ist
auch innerer Prozess notwendig. Denn nach dem Nein soll kein
Schuldgefühl entstehen. Nach dem Nein sollte man in der Lage
sein, das Thema und verbundenen Gefühle und Gedanken
loszulassen.
Diesen Prozess zu begleiten, ihre individuelle Geschichte
herauszufinden, sowie zukünftige Lösungswege zu entwickeln;
dies alles kann in einem persönlichen Coachingprozess
erfolgreich umgesetzt werden.
Knut Diederichs, 25.08.2021
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Wissenswertes
Die Schwiergkeit, Nein zu sagen
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